Posts Tagged ‘Hans Peter Friedrich’

Friede, Freude, Ukrainekuchen

10. Juni 2014

US- Präsident Barack Obama wurde kurz nach seinem Amtsantritt der Friedensnobelpreis verliehen. Das roch förmlich nach Satire, dennoch meinte es das Nobelpreiskomitee bitter ernst. Offensichtlich wünschte man sich einen Messias herbei, der das amerikanische Militär endlich von den Brandherden, die sie maßgeblich selbst entzündet hatte, zurück pfeifen würde. Der erste farbige Präsident in der Geschichte der Vereinigten Staaten muss schließlich ein Zeichen setzen, dachten sich die Preisverleiher erwartungsvoll. Jede andere Überlegung grenzt an Senilität.

Seinen Erwartungen wurde der amerikanische Präsident in keiner Weise gerecht. Es ist schwierig, sich keinen Spekulationen hinzugeben, doch spricht man inzwischen offen von einem neu entflammten „kalten“ Krieg zwischen den sogenannten Supermächten Amerika und Russland. Das Spielfeld für diese Schlacht heißt übrigens Ukraine, Obamas Gegenspieler Wladimir Putin. So sieht es offenkundig die Geschichtsschreibung vor. Weil jedoch Obama samt seiner Verbündeten in der NATO alles andere als glaubwürdige Friedenspolitik offenbaren, darf man nicht vergessen, dass Herr Putin im Grunde ein Despot ist. Es sollte sich nicht die Frage stellen, ob eine gut funktionierende Diktatur einer leider miserabel gelebten Demokratie vorzuziehen sei. Nur weil auf Seiten des Westens eklatante Fehler im Ukraine- Konflikt begangen wurden, wird dadurch das Handeln der Gegenseite nicht besser.

Die Menschen in der Ukraine sind die Leidtragenden, nach deren Wünschen sich eigentlich alle Konfliktparteien richten sollten. Man sollte sich demnach nicht von all jenen Propaganda- Bemühungen beeinflussen lassen, die eigene Sympathie nach West oder Ost zu verlagern. Die Solidarität sollte einzig den Betroffenen gelten und keinesfalls den politischen und militärischen Drahtziehern, welche förmlich nach moralischer Rechtfertigung für ihr verwerfliches Handeln hecheln und dabei weder auf Lügen oder Intrigen verzichten. Leider sind wir an einem Punkt angelangt, der konsequentes Hinterfragen jeglicher Protagonisten beider Konfliktparteien verlangt.

Nun ist der Mensch bekanntermaßen ein Herdentier und folgt blind der Tradition von Lemmingen fremdbestimmten Leitfiguren. In Deutschland repräsentieren insbesondere die Wähler der großen Volksparteien jene possierlichen, jedoch auch ziemlich naiven, mausverwandten Wühltiere. Dass jenes Verhalten des Massenselbstmordes von Lemmingen ebenso eine Illusion ist, wie der Glaube an verantwortungsbewusstes Handeln unserer Regierungsvertreter, sollte endlich etwas Speicherplatz in der Festplatte von Wählerhirnen finden.

Aktuell liefert Heiko Maas (SPD), einstiger Padawan (Synonym für „Schüler“ aus dem Star Wars Universum) vom ehemaligen saarländischen Ministerpräsidenten und Ex- Linken- Parteichefs Oskar Lafontaine, der in seinem Bundesland nie politisch überzeugen konnte, den Beweis für umfassende Inkompetenz als Justizminister. Sollte Herr Maas nicht an Blitzdemenz leiden, müsste ihm schließlich bewusst sein, warum Edward Snowden einer nach Moskau anreisenden Delegation des entsprechenden Untersuchungsausschusses nicht Rede und Antwort stehen kann. Es wäre ein Zeichen der eigenen Staatssouveränität, Herrn Snowden in Deutschland zu befragen und ihm Immunität gegenüber den USA und einem in diesem Fall absurden Auslieferungsvertrag zu zu sichern.

Da wurden durch Edward Snowden ungeheuerliche Schnüffelaktionen diverser Geheimdienste detailliert nachgewiesen, während die Bundesregierung zunächst die massenhaften Ausspähungen leugnete und später zu relativieren versuchte. Damit reiht Herr Maas sich nahtlos in die unfähige Regierungsmannschaft von Bundeskanzlerin Angela Merkel(CDU) ein, deren einstige Lakaien, Ex- Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) und Ex- Innenminister Hans- Peter Friedrich(CSU), den NSA- Untersuchungsausschuss zu verhindern versuchten und die Ausmaße der Spionagetätigkeiten klein reden wollten.

Man kann sich nicht dem Eindruck erwehren, dass in dieser Angelegenheit die Bundesregierung die eigene Inkompetenz mit aller Gewalt zu vertuschen versucht und sich dabei weltweit lächerlich macht, denn tiefer kann man gar nicht mehr im Arsch des amerikanischen Präsidenten stecken, wodurch dieser alsbald Würgereflexe durch den von unten herannahenden Haaransatz unserer Bundeskanzlerin bekäme.

Die erst kürzlich durchgeführte Europa- Wahl bestätige einmal mehr, dass die Mehrheit der Deutschen lieber konservativ belogen und betrogen wird anstatt ihre Wohlstandslethargie der Gerechtigkeit und des eigenen Gesichtsverlustes wegen verlassen würde. Wer sich jetzt angepisst oder denunziert fühlt, darf sich gerne mit konstruktiven Gegenargumenten zur Wehr setzen. Dieses Volk ist doch selbst daran schuld, dass wir den Führungseliten folgen und in den Abgrund stürzen, während diese jedoch immer einen Fallschirm besitzen. Nicht die Lemminge sind blöd…

Erzengel Gabriel und Pinocchio Nahles

4. Dezember 2013

Koalitionsverhandlungen können zuweilen zermürbend sein, insbesondere wenn sich der Junior- Partner SPD bei seinen Wählern für nicht zu haltende Wahlversprechen zu rechtfertigen versucht. Nun ist es ja durchaus gesellschaftsfähig geworden, dass Spitzenpolitiker längst nicht mehr an ihren Aussagen gemessen werden können. Daran sind allerdings das allzu vergessliche Stimmvieh und jene treuen Parteisoldaten schuld, welche mit stoischer Hartnäckigkeit ihren schon lange verschwundenen Idealen hinterher laufen.

Quelle: SPD

Quelle: SPD

Jene Generalsekretärin Nahles wirbt derzeit offensiv für genau diese große Koalition, womit noch im Wahlkampf so mancher wankelmütiger Sozialdemokrat von Gedanken der Abtrünnigkeit befreit werden konnte. Die Parteibasis wird maßgeblich dazu genötigt, einem Pamphlet zuzustimmen, welches man so eigentlich nie wollte. Über den aktuell ausgehandelten Koalitionsvertrag wehte tatsächlich eine Brise sozialdemokratischer Vorstellungen hinweg, die jedoch mit einem vornehmen Hustenanfall von Dauerkanzlerin Merkel mühelos kontaminiert werden.

Ausgerechnet das Randthema Vorratsdatenspeicherung wird zum Bumerang, der Parteichef Sigmar Gabriel‘ s Achillesferse trifft. Der sonst als politischer Stratege und rhetorischer Scharfschütze bekannte Obersozialdemokrat befleißigt sich einer unverschämten Lüge, um jenes, zurecht umstrittene Überwachungsinstrument schön zu reden.

Und wir haben, wenn sie an Norwegen denken, durch die dortige Vorratsdatenspeicherung, wusste man sehr schnell wer in Oslo der Mörder war, ob er Leute dabei hatte. Das hat sehr geholfen.

Im ARD Brennpunkt Interview antwortete er mit diesem Statement auf die Frage nach der von der SPD gebilligten Vorratsdatenspeicherung im Koalitionsvertrag. Er spielte dabei auf das Attentat von Oslo vom 22. Juli 2011 an, wo der mutmaßliche Täter Anders Breivik 77 Menschen tötete. Dem kritischen Beobachter jener zähen Koalitionsverhandlungen mag dies plausibel erscheinen, insbesondere wenn man die fatalen Auswirkungen einer anlasslosen Vorratsdatenspeicherung nicht nachzuvollziehen vermag. Nun ist es allerdings erwiesen, dass eben jene präferierte Vorratsdatenspeicherung bei der Ergreifung des Attentäters keinerlei Rolle spielte. Sie gab es schlicht nicht und gibt es noch bis 2015 in Norwegen nicht und konnte demzufolge nicht geholfen haben, den Mörder zu fassen.

Man muss Sigmar Gabriel nicht einmal eine vorsätzliche Lüge attestieren, aber ein künftiges Regierungsmitglied darf sich keinesfalls hinreißen lassen, mit falschen Mutmaßungen öffentlich eine Schwachstelle im Koalitionsvertrag ausbessern zu wollen. Eigentlich ist diese üble Vorratsdatenspeicherung, welche alle Bürger als potentielle Straftäter behandelt, ein Wunschprojekt der Union und wird auch gerne von den beiden prominenten Hans- Peters von der CSU , Dr. Uhl und Bundesinnenminister Dr. Friedrich mit hanebüchenen Scheinargumenten befeuert. Aus der NSA- Affäre will man nicht lernen, man will sie legalisieren. Anders kann man diese unbändige Lust nach einem Überwachungsstaat nicht mehr erklären. Die SPD lässt sich vor diesen Karren spannen und Erzengel Gabriel hält sogar die Zügel in der Hand.

Gerne verweisen die Befürworter der Vorratsdatenspeicherung auf eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 2006 (Richtlinie 2006/24/EG). Demnach muss die Vorratsdatenspeicherung in den Mitgliedsstaaten entsprechend umgesetzt werden, sonst drohen Strafen. Selbst muss die Vorratsdatenspeicherung aber noch vor dem Europäischen Gerichtshof einer Klage widerstehen, die keinesfalls aussichtlos zu sein scheint. Mit ausreichend Sarkasmus angereichert könnte man auch entgegnen, dass man aufgrund der illegalen Spionagetätigkeiten der NSA und des britischen Geheimdienstes GHCQ eigentlich gar keine Vorratsdatenspeicherung mehr benötigt. Und tatsächlich gibt es keinen einzigen nachweisbaren Fall, wo die Vorratsdatenspeicherung in den vorgesehenen Einsatzbereichen (Terror & Schwerstkriminalität) entscheidende Ermittlungserfolge verbuchen könnte. In einer schauderhaften Zukunftsvision brachte Regisseur Steven Spielberg ein sehr ähnliches Szenario auf die Leinwand. Im Film „Minority Report“ existiert eine polizeiliche Einsatztruppe namens Precrime, die Verbrechen verhindern, bevor sie ausgeübt werden können.

Weniger dringlich erachten unsere Regierungen seit Jahren die Umsetzung einer UN- Resolution zum Antikorruptionsgesetz. Hierbei darf sich Deutschland in bester Gesellschaft fühlen. Neben Syrien, Sudan, Nordkorea, Japan und Saudi- Arabien hat Deutschland dieses Abkommen immer noch nicht ratifiziert. Abgeordnetenbestechung bleibt dadurch weitgehend unbehelligt. Schließlich ist es ja deutlich dringlicher, die eigenen Bürger verdachtsunabhängig zu überwachen.

Update: einen schönen, etwas sarkastischen Blogartikel zur Vorratsdatenspeicherung findet man hier: Die Vorratsdaten- Verräter

Ende der Anonymität im Internet – ein offener Brief an den Bundesinnenminister

9. August 2011

Guten Tag Herr
Bundesinnenminister Dr. Friedrich,

Bundesinnenminister Friedrich

Bundesinnenminister Friedrich

es hat mich ziemlich aufgeregt, als ich von Ihrer Forderung nach einem Ende der Anonymität im Internet erfahren habe. Verzeihen Sie bitte, dass ich so direkt darauf reagiere, es ist keinesfalls persönlich gemeint, sondern bezieht sich ausschließlich auf die von Ihnen als Minister getätigten Aussagen gegenüber dem Magazin „Der Spiegel“ in der Annahme, dass es korrekt wiedergegeben wurde.

Als IT- Mitarbeiter im Clientsupport einer der weltweit größten Softwarefirmen und mit über 20 jähriger Computer- und Netzwerkerfahrung verwundert mich immer wieder, wie Unions- Politiker ständig und bei jeder sich bietenden Gelegenheit
Kontrollmaßnahmen angeblich zur besseren Sicherheit durchsetzen möchten. Die Argumentationen dazu sind jedoch glücklicherweise sehr dürftig und halten den Fakten von IT- Experten nicht stand. Da ich bereits Ihren Kollegen, Dr. Uhl,
bei der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung trotz Widerlegung der 21 BKA- Fallbeispiele offensichtlich nicht überzeugen konnte, erwarte ich das auch nicht bei Ihnen. Dennoch möchte ich Ihnen Ihre Fehleinschätzung in dieser Sache unterbreiten. Vielleicht nehmen Sie sich ja wenigstens die Zeit, sich die Argumentation durchzulesen und womöglich meine Sicht der Dinge zu verstehen.
Immerhin konnte ich meinen Nachbarn, der ist Lehrer, davon überzeugen, dass Ihre Forderungen keinerlei nachweislichen Erfolg garantieren können und mehr Nachteile als Vorteile zur Folge hätten.

Zitat Innenminister Friedrich aus Spiegel-Interview:

Politisch motivierte Täter wie Breivik finden heute vor allem im Internet jede Menge radikalisierter, undifferenzierter Thesen, sie können sich dort von Blog zu Blog hangeln und bewegen sich nur noch in dieser geistigen Sauce

Ich empfinde es selbst als Blogger anmaßend und beleidigend zugleich, Blogs so undifferenziert zu betrachten und deren Inhalte als „geistige Sauce“ zu bezeichnen. Auch impliziert Ihre Aussage die falsche Ansicht, dass politisch motivierte Täter
erst zu solchen durch die Nutzung des Internets werden. Wie können Sie dergleichen Dinge behaupten, ohne selbst den geringsten Nachweis erbringen zu können? Immerhin kann ich als jemand, der täglich ca. 10 Stunden beruflich und privat das Netz nutzt, einen Einzelnachweis erbringen, dass Ihre Behauptung falsch ist. Denn obwohl ich ebenso wie der norwegische Attentäter alle
möglichen Quellen im Internet nutzen kann, bin ich weder dadurch pädophil noch gewaltbereit geworden. Ich habe weder Interesse an Amokläufen noch möchte ich einer Terrorzelle beitreten, obwohl mich seit nunmehr fast 20 Jahren die digitale Welt versucht, zu infizieren. Ähnlich könnten hunderttausende anderer Blogger argumentieren.

Als die RAF noch in den 70ern aktiv Terror verbreitete, konnte man das Internet schließlich auch nicht dafür verantwortlich machen, das gab es schlicht noch nicht. Demzufolge stammte die Inspiration offenkundig aus anderen Quellen.  Mord und Gewalt
existierten bereits lange zuvor. Eine historische Parallele findet man übrigens in den Bücherverbrennungen zur Inquisitionszeit und später im 3. Reich. Auch damals wollte man die Verbreitung von angeblich moralisch, politisch oder religiös schädlichem Gedankengut verhindern. Dass dies kein Akt von demokratischer Vernunft darstellte, sollte jedem bewusst sein. Ähnliche
Tendenzen lassen sich in den Reglementierungsversuchen vieler Politiker erkennen, größtenteils aus den Reihen von CDU/CSU, die sich im Parteinamen mit dem Ausdruck „christlich“ schmücken.

Zitat Innenminister Friedrich aus Spiegel-Interview:

Warum müssen ,Fjordman‘ und andere anonyme Blogger ihre wahre Identität nicht offenbaren? Die Grundsätze der Rechtsordnung müssen auch im Netz gelten, Blogger sollten mit offenem Visier argumentieren

Nehmen wir zum Vergleich einfach mal mein Weblog, welches ich ebenfalls unter Pseudonym betreibe. Es ist essentiell wichtig für
mich, dass z.B. mein Arbeitgeber nicht offenkundig meine politischen Ansichten erkennen kann, was für mich u.U. nachteilig sein könnte. Dennoch ist diese Anonymität sehr ungewiss, da mit geringem Aufwand die eigentliche Identität ermittelt werden kann. Um ein solches Weblog betreiben zu können, muss man sich sehr wohl beim Anbieter identifizieren. Mindestens ist eine gültige
Emailadresse erforderlich. Selbst wenn diese bei einem Freemail- Anbieter registriert ist, wäre in Fällen mit nachweislich kriminellem Hintergrund die Identität dahinter für Strafverfolgungsbehörden ermittelbar. Ein aktiv betriebenes Blog wäre dann observierbar und die IP- Adresse des Bloggers zurück verfolgbar, völlig ohne Vorratsdatenspeicherung, sei angemerkt. Personal mit Kompetenz vorausgesetzt. Es gibt viele, sehr bedeutsame Gründe, anonym bleiben zu dürfen und zu können. Randgruppen, Minderheiten oder gar die Freiheitskämpfer in der arabischen Welt sind zwingend auf diese Anonymität angewiesen. Auch Stalking würde durch Klarnamenzwang begünstigt werden. Ebenso würde die Werbeindustrie sich über bessere Möglichkeiten des personalisierten Marketings freuen…

In meinem Fall würde der Blick ins Impressum genügen, um meine Identität zu bekommen, so ist es nach deutschem Recht für Homepagebetreiber schließlich vorgeschrieben. Ich besitze quasi ein amtliches Kennzeichen. Über die Grenzen Deutschlands hinaus würde Ihre Forderung ohnehin schnell verpuffen, was letztendlich eine Abwanderung der Bloggerszene bescheren und jegliche Innovation blockieren würde. STASI- ähnliche Zustände würde dies zur Folge haben.

Die Grundsätze der Rechtsordnung gelten auch im Netz. Wenn diese, aus welchem Grund auch immer, nicht gewahrt werden, ist nicht das Netz daran schuld, sondern eher die fehlende Kompetenz derer, die diese Rechtsordnung bewahren sollen. Das
(Schein)Argument des „offenen Visiers“ könnte auch schnell nach hinten los gehen. Wenn sich Blogger identifizieren müssten, würde dies natürlich auch auf die analoge Welt zutreffen. Altkanzler Kohl müsste demnach in der Spendenaffäre sein Schweigen brechen und nicht „mit geschlossenem Visier“ Ehrenworte erklären. Die Beschlüsse des Bundessicherheitsrats zu den umstrittenen Rüstungsexporten nach Saudi- Arabien müssten transparent gemacht werden und nicht geheim hinter „verschlossenem Visier“ verhandelt werden. Nebeneinkünfte und Tätigkeiten  von Abgeordneten müssten offen gelegt werden, denn so muss es auch jeder Angestellte gegenüber seinem Hauptarbeitgeber tun. Politiker und Prominente müssten ebenso mit Klarnamen im Netz auftreten wie jeder Blogger auch. Da würden sicherlich einige Ihrer Kollegen aus der Politik ziemlich nervös werden, wenn verschleierte Identitäten plötzlich offenkundig gemacht werden würden. Eine Forderung nach mehr Transparenz (so interpretiere ich Ihre Forderung schlussfolgernd) darf nicht einseitig auf bestimmte Personenkreise begrenzt bleiben. Im Übrigen ist die Identität von  ,Fjordman‘ inzwischen offen gelegt worden…

Anonymität ist ein wichtiger Bestandteil der Selbstbestimmung und der freien Meinungsäußerung in einer demokratischen Gesellschaft. Wenn Sie Ihre abstrusen Forderungen gleichermaßen auf die analoge Welt anwenden würden, wäre der Überwachungsstaat die unausweichliche Konsequenz. Außerdem fordern Sie für die digitale Welt einen Identifikationszwang, der in der analogen Welt undenkbar wäre. So gesehen müsste sich jeder Bürger beim Brötchen holen oder beim Kauf einer Zeitung am
Kiosk mit seinem Personalausweis identifizieren. Die Fahrt mit Bus und Bahn dürfte ebenso nur mit Identifikationsnachweis stattfinden. Ein Kinobesuch ohne Personalausweis wäre quasi unmöglich. Idealerweise müsste jeder Bürger, wenn man Ihren Vorstellungen folgen mag, ein amtliches Kennzeichen, jederzeit sichtbar, tragen.

Genau genommen ist jeder Internetnutzer bei weitem besser identifizierbar als jeder Passant auf der Straße. Wenn Sie schon eine allumfassende Identifikation anstreben, dann aber auch konsequent für alle ohne Ausnahmen und auch beginnend in der
analogen Welt. Eigentlich bedauern Sie ja nur den Kontrollverlust innerhalb der digitalen Welt, der ausschließlich der machthabenden Oberschicht mehr Sicherheit und Kontrolle verschaffen würde, spekuliere ich mal aus dem Bauch raus? Der Rest der Bevölkerung hätte mehr Nachteile als Vorteile davon. Womöglich irre ich mich ja auch und Sie können mich überzeugen, dass ich völlig falsch informiert bin?

Einen hoffentlich schönen Restsommer wünsche ich Ihnen trotz unserer gegensätzlicher Ansicht in dieser Sache.

Mit freundlichen Grüßen und offenem Visier

Update – Antwort aus dem Innenministerium:

Bundesinnenminister Dr. Friedrich hat mehrfach — u.a. auf dem Kirchentag in Dresden — betont, dass er keine gesetzliche Pflicht
will, sich ständig und überall im Netz ausweisen zu müssen. Selbstverständlich muss weiterhin die Möglichkeit bestehen, Pseudonyme zu verwenden. Gerade für Internet-Angebote der Seelsorge und Beratungsstellen ist dies unverzichtbar.

Die Frage nach der Anonymität im Internet hat jedoch viele Facetten und lässt sich nicht mit einem klaren Ja oder Nein, Schwarz oder Weiß beantworten. Die jüngsten Äußerungen des Bundesinnenministers bezogen sich auf Blogs, in denen Menschen unter Pseudonymen radikale politische Ansichten verbreiten. Sie bilden Fassaden, hinter die niemand schauen soll. Sie entziehen
sich damit der demokratischen Streitkultur. Das mag ihr gutes Recht sein, aber es ist letztlich feige.

Dem Bundesinnenminister geht es darum, dass gerade diejenigen, die mit ihren politischen Radikalthesen am lautesten prahlen, sich nicht hinter einer Maske verstecken, sondern mit offenem Visier streiten. In einer Demokratie können und müssen wir uns das leisten.

Ich bin irritiert. Die Antwort stammte nicht von Dr. Friedrich persönlich, sondern von seinem wissenschaftlichen Mitarbeiter, was die Sache nicht besser macht. Offensichtlich hat dieser den Brief nicht vollständig gelesen, sonst hätte er nicht die gleichen abstrusen Thesen erneut vorgebracht. Plötzlich sind es ja nur noch die bösen Blogger, die sich identifizieren sollen, nicht generell jeder, der sich im Internet mehr oder minder unlustig entfaltet. Das muss man aber auch wissen, Herr Dr. Friedrich hat in seinem Spiegel- Interview keineswegs diese Einschränkung vorgenommen.

Schützenhilfe erhält er aktuell von seinem politischen Gefährten Dr. Uhl, der in einer Pressemitteilung nochmals bestätigt, dass die Anonymität im Internet die Verbreitung von Kinderpornografie oder extremistischem Gedankengut in einem nie gekannten Ausmaß möglich macht (http://www.presseanzeiger.de/meldungen/politik/510621.php). Von der Blogger- Szene ist nicht explizit die Rede.

Was beide ignorieren, ist die Impressumspflicht für deutsche Website- Betreiber. Wer in Deutschland (und nur darauf kann sich der Herr Minister beziehen) eine Internetpräsenz betreibt, ist gesetzlich dazu verpflichtet, seine Identität Preis zu geben. Das regelt die sog. Impressumspflicht (http://de.wikipedia.org/wiki/Impressumspflicht):

Wie sich aus § 55 I Rundfunkstaatsvertrag (RStV) ergibt, trifft einen Anbieter somit nur dann keine Impressumspflicht und er kann seine Webseite völlig anonym ins Internet stellen, wenn sein Angebot ausschließlich persönlichen oder familiären Zwecken dient…

Dieser Paragraph macht die Forderung des Ministers hinfällig. Das sollten die Hardliner der CSU allerdings wissen, gerade wenn Sie die Aussagen des Ministers „nur“ auf Blogs beziehen möchten. Was der Minister hier also fordert, ist längst Realität.

Update vom 11.08.2011:

Das Abkommen sieht nun vor, dass deutsche Kapitalflüchtlinge ihr illegal in der Schweiz angehäuftes Schwarzgeld einmalig nachversteuern können – zu Steuersätzen zwischen 19 und 34 Prozent. Damit wären die Steuerschulden von Schwarzgeld-Tätern aus der Vergangenheit erledigt und das beiseite geschaffte Vermögen legalisiert…

Wie bei der Nachversteuerung wird auch hier das Geld anonym an Deutschland überwiesen.

Dieser kurze Auszug stammt aus einem Spiegel- Online Artikel, der sich mit dem Abkommen zwischen Schweiz und Deutschland wegen der massiven Steuerhinterziehung deutscher Staatsbürger über Schweizer Banken befasst. Das hat eigentlich nichts mit der Anonymität im Internet zu tun, ist aber ein treffendes aktuelles Beispiel dafür, dass unsere Regierung offensichtlich in der analogen Welt nicht annähernd so vehement schärfere Maßnahmen gegen Kriminelle anstrebt. Und Steuerbetrüger (insgesamt geht man laut Schätzungen von 100 bis 300 Milliarden Euro insgesamt aus) sind Kriminelle, aber eben welche, die meist einen Nadelstreifenanzug und Kravatte tragen und womöglich zum elitären Kreis gehören könnten in denen auch unsere Spitzenpolitiker sich herumtreiben. Aber den bösen Bloggern, die verantwortlich dafür sind, dass durch ihre politisch extremen Ansichten, Terroristen und Amokläufer im Internet geboren werden, muss unverzüglich das Handwerk gelegt werden…

Der Friederich, der Friederich, der war ein arger Wüterich! (http://www.struwwelpeter.com/SP/fried1.php)

So beginnt das 1. Kapitel aus dem Buch „Der Struwwelpeter“ und fällt mir spontan ein, wenn ich vernehme, wie der Bundesinnenminister nun seine Kritiker angreift:

Die schon etwas dümmlichen Reaktionen haben mich enttäuscht“, bemerkte der Minister dazu und sprach von „intellektueller Plattheit“. Hier nur darauf zu verweisen, dass im Internet alles international und deshalb nicht zu regeln sei, reiche nicht aus. „Das kann´s ja nicht gewesen sein.“ Vielmehr sei eine Struktur nötig und mit Blick auf die großen sozialen Netzwerke zu fragen: „Was verlangen wir von Google, von Facebook?“ Jemand, der Alkohol kaufe, müsse auch nachweisen, dass er mindestens 18 Jahre alt sei, argumentierte Friedrich. Genauso würden Leserbrief-Schreiber beim Namen genannt, wenn sie Tatsachen über andere behaupteten. Er warnte davor, das Netz „ins Chaos der Gesetzlosigkeit“ versinken zu lassen.

Demnach empfand der Bundesinnenminister meinen Brief als dümmliche Reaktion von intellektueller Plattheit? Die Leser können sich dazu ja ihre eigene Meinung bilden, es steht ja alles schön der Reihe nach da. Dennoch greife ich seine Beschimpfungen nochmals auf:

In meinem Brief habe ich durchaus etliche nachvollziehbare Argumente vorgebracht, die eine Anonymität begründen. Sein Beispiel aus der analogen Welt, wobei er denkt, dass Minderjährige keinen Alkohol kaufen könnten, zeigt erneut, wie weltfremd der Minister ist. Fast in jeder Clique von Jugendlichen findet sich eine(r), der volljährig ist und den Stoff für andere besorgt. Ein Limit gibt’s ja schließlich nicht. Dass es auch durchaus genügend Fälle gab, wo an der Ladentheke der Altersnachweis nicht so ernst genommen wurde, läßt sich auch bei Bedarf recht schnell recherchieren. Nach seiner Erkenntnis dürfte es demnach nie betrunkene Minderjährige geben…

Passend zu Friedrich’s Anonymitätsaufhebung für Blogger und Kommentatoren im Internet kommt die aktuelle Absage der Bundesregierung zur Kennzeichnungspflicht von Polizisten (http://www.n-tv.de/politik/Bundespolizisten-weiter-anonym-article4031806.html):

Mehrere Abgeordnete der Grünen-Bundestagsfraktion hatten sich an den Bund mit der Forderung gewandt, eine mögliche Kennzeichnung auch von Bundespolizisten zu prüfen. „Gewalttätige Übergriffe der Polizei wie jüngst etwa in Stuttgart sowie die immer wieder auftretenden Schwierigkeiten, Straftaten in den Reihen der Polizei aufzuklären, geben Anlass zur Sorge“, schrieben die Grünen. 2009 seien bundesweit gegen Polizisten 2955 Ermittlungsverfahren wegen Tötungsdelikten, Gewaltausübung, Zwang und Missbrauch eingeleitet worden.

Polizisten dürfen in der analogen Welt anonym bleiben und Bürger sollen gläsern werden! Das ist das Demokratieverständnis unserer Regierung. Verantwortlich für den Bereich „Innere Sicherheit“ ist, wie sollte es anders sein, Herr Dr. Hans- Peter Friedrich…