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Ich bin stolz auf dich, Saarland!

13. Januar 2015

Es kommt gewiss eher selten vor, dass in Saarbrücken 3 Demonstrationen quasi zeitgleich stattfinden. Weil der Saarland- Ableger von PEGIDA (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes), SAARGIDA,  für den 12. Januar 2015 eine Kundgebung anmeldete, reagierte ein Bündnis namens Bunt statt braun darauf mit einer Gegen- Demo. Zusätzlich organisierte die Antifa eine eigene Gegenveranstaltung.

Imposant wälzte sich der Zug von Bunt statt braun mit geschätzten 9000 Teilnehmern durch die Innenstadt Saarbrückens. Hingegen positionierten sich die etwa 300 Saargida– Anhänger, massiv von Polizeikräften abgeschirmt, vor der Europagalerie. Die Antifa hielt sich nur wenige Meter davon entfernt am Busbahnhof auf.

In einigen Videos habe ich die Geschehnisse dokumentiert. So kann sich jeder ein eigenes Bild davon machen. Selbst habe ich diesen ungewöhnlichen Demo- Abend mit gemischten Gefühlen erlebt. Sicherlich übertraf die Teilnehmerzahl bei der Gegen- Demo von Bunt statt braun alle Erwartungen. Trotz der kurzen Vorbereitungszeit konnten die Organisatoren, bestehend aus Gewerkschaften, Sozialverbänden, Vereinen und den etablierten Parteien viele Menschen motivieren, sich physisch auf der Straße gegen Fremdenfeindlichkeit und Terror zu positionieren. Das Attentat auf die Redaktion des Satiremagazins Charlie Hebdo in Paris, bei welchem allein 12 Menschen starben, spornte offensichtlich zusätzlich Menschen an, an dieser Gegen- Demo teilzunehmen, obgleich das Massaker in Frankreich augenscheinlich islamistische Hintergründe besaß.

Die Grenznähe zu Frankreich und Luxemburg verleiht dem Saarland ohnehin eine kulturelle Einzigartigkeit, welche an diesem denkwürdigen Abend hautnah zu erleben war. Persönlich kann ich mich nicht erinnern, dass in Saarbrücken eine Demonstration dieses Ausmaßes jemals statt fand. Der gemeine Saarländer tendiert eben weniger zu spontanen Außeneinsätzen politischer Prägung, was allerdings an diesem Abend völlig anders war. Selbstverständlich gesellten sich auch viele französische Freunde dazu, denn typischerweise ist im Nachbarland die kulturelle Vielfalt noch ausgeprägter.

Da ich eher weniger zu euphorischen Temperamentsbekundungen neige und lieber rational die Sachverhalte beschreibe, existieren aus meiner Sicht auch Defizite bei einer ansonsten überaus gelungenen Demonstration für kulturelle Vielfalt und Gastfreundlichkeit, was das kleine Bundesland eigentlich gar nicht mehr extra unter Beweis hätte stellen müssen. Die Redner, angeführt von der saarländischen Ministerpräsidentin Annegret Kramp- Karrenbauer (CDU), welche in ihrer Neujahrsansprache den Eindruck vermittelte, dass die islamfeindliche PEGIDA- Bewegung kaum politische Relevanz besitzen würde, spulten das übliche Programm ab, was man ohnehin erwartete. Die Fronten wurden deutlich skizziert, ohne die Hintergründe nur ansatzweise beleuchten zu wollen. Dann hätte man schließlich auch etwas Eigenkritik offenbaren müssen, womit man die eher seltene politische Eintracht nicht belasten wollte.

Bunt statt braun Teil 1 (Höhe Karstadt)

Bunt statt braun Teil 2 (Höhe Karstadt)

Wem es reicht zu wissen, wofür man demonstriert hat, kann einfach hier aufhören zu lesen und zu sehen.  Im weiteren Verlauf erfährt man auch, wogegen man an diesem Abend in Saarbrücken auf der Straße war.

Deswegen wagte ich auch einen Besuch bei der SAARGIDA– Kundgebung und sprach unter anderem mit dem Organisator Danny Walter und Protagonisten aus der „rechten“ Szene. Noch vor den Redebeiträgen gab NPD- Funktionär Peter Marx fleißig Interviews und inszenierte mit einem weißen Kreuz mit der Aufschrift „Charlie“ seine ganz persönliche Medienshow. Zweifelsohne konnten die Rechtspopulisten so die Veranstaltung geschickt für ihre Zwecke instrumentalisieren. Da nützen dann auch die Distanzierungen der Veranstalter wenig. Mit solchen Positionen, wie PEGIDA sie vertritt, lockt man unweigerlich Leute mit „rechter“ Gesinnung an.

Organisator Danny Walter bei SAARGIDA

Dass er sich sowie die PEGIDA– Anhänger weder als Rassisten noch als Nazis begreifen will, fällt durchaus schwer nachzuvollziehen nach seinen Äußerungen. Wenn dann auch noch die NPD eine deutliche Präsenz zeigt und ungeniert Interviews gibt, wird dadurch nicht nur die Glaubwürdigkeit von PEGIDA untergraben.

Peter Marx bei SAARGIDA

Herr Marx stellt typischerweise einen Zusammenhang zwischen den Attentaten in Paris und PEGIDA her.

Die Nähe zur rechtspopulistischen Szene ist hiermit nachgewiesen und kann auch nicht länger geleugnet werden. Auch eine Distanzierung der Organisatoren hilft nicht, da auch diese dem rechten Spektrum zugeordnet werden können: http://forum.soznet.org/viewtopic.php?f=3&t=1144

Für eine kleinere Eskalation sorgten dann einige Antifa- Anhänger:

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Ohne der Gesinnung der PEGIDA beipflichten zu wollen, ist es ein demokratisches Recht, eine Demonstration anzumelden und durchzuführen. Undemokratisch ist jedoch, diese Veranstaltung absichtlich zu stören. Damit hat die Antifa sich keinen Gefallen getan und sich ebenfalls als politische Organisation disqualifiziert.

Der umstrittene Islamkritiker und Buchautor Zahid Ali Khan gehörte zu den offiziellen Rednern bei Saargida:

Sein Buch „Die Verbrechen des Propheten Mohammed“ sollen mehrere Mordanschläge auf Zahid Ali Khan befördert haben, wobei mindestens einer der Anschläge als inszenierter PR- Gag entlarvt wurde. Auch dieser Umstand trägt der Glaubwürdigkeit von PEGIDA nicht bei.

An den Deutschkenntnissen von Buchautor Zahid Ali Khan darf man durchaus zweifeln, was für weltoffene Menschen kein Problem darstellt, bestenfalls ein vernachlässigbares Verständigungsproblem. PEGIDA hingegen ist jedoch immer bemüht, darauf hinzuweisen, dass sie gegen integrationswillige Muslime keine Einwände hätten. Die Definition der Position 10…

PEGIDA ist FÜR den Widerstand gegen eine frauenfeindliche, gewaltbetonte politische Ideologie aber nicht gegen hier lebende, sich integrierende Muslime!

…ist so unscharf formuliert, dass sie sich in Bezug auf jenen Islam- Kritiker und Salafisten- Gegner selbst entkräftet. Etliche weitere Positionen entbehren jeder Logik und besitzen eine fatale Sinnlosigkeit. Beispielhaft hierfür ist eine Kernthese, wie sie in Position 13 niedergeschrieben wurde:

PEGIDA ist FÜR die Erhaltung und den Schutz unserer christlich-jüdisch geprägten Abendlandkultur!

Man könnte diese Position als klassisches Eigentor bezeichnen. Deutschland ist historisch eher bei den Germanen zu verorten, wo Geister beschworen und zum Teil grausame Rituale durchgeführt wurden. Sowohl das Christentum als auch das Judentum gelangten quasi als Migrationsmitbringsel in den mitteleuropäischen Raum, dessen heutige Abendlandkultur erst gegen Ende des 5 Jahrhunderts nach Christus zaghaft missioniert wurde. Es ist also vermessen, eine Kultur verteidigen zu wollen, die sich eigentlich durch verschiedene Einflüsse bildete und sich ständig weiter entwickelt und quasi die vorhergegangene Kultur verdrängte. Schenkt man diversen Forschungsergebnissen Glauben, ist jene Abendlandkultur eigentlich konfessionslos. Fakt bleibt in jedem Fall, dass jene Kultur, die PEGIDA so vehement zu erhalten begehrt, in der beschriebenen Form nie existierte.

Was immer wieder sträflich von unserer politischen Elite versäumt wird, ist das Bemühen, jene Menschen, die sich PEGIDA oder ähnlichen Strömungen aus anderen Motiven angeschlossen haben, einen Ausweg zu offerieren. Zum Teil ist es eine herbe Politikverdrossenheit, die jene Leute zu solchen Veranstaltungen treibt, weil man dadurch den Frust über die entstandene Distanz zu politischen Entscheidungsträgern kanalisieren kann. Es werden sogar Unvereinbarkeiten zur eigenen Überzeugung hingenommen, da diese Menschen von den etablierten Parteien lediglich als Stimmvieh betrachtet werden. Zumindest ist das die Wahrnehmung vieler.

Hier noch weitere Videos:

Die Polizeipräsenz für 300 PEGIDA– Anhänger war im Verhältnis zur Gegen- Demo extrem ungleich verteilt:

SAARGIDA kritisiert die etablierte Politik, leider unter dem falschen Etikett der Fremdenfeindlichkeit:

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