Das falsche Etikett: PEGIDA

Die Islamisierung des Abendlandes existiert ebenso wenig wie das Ungeheuer von Loch Ness oder das Raumschiff Enterprise, auch wenn es eine Organisation namens PEGIDA gebetsmühlenartig in die Montagsdunkelheit der Vorweihnachtszeit posaunt.
Aber was nutzen Fakten, wenn man sich ein Feindbild in die Schädelhöhle eingemeißelt hat? Reduziert man die Sichtweise auf Sachsen, wo in Dresden der Ursprung der Bewegung zu verorten und mit über 10000 friedlichen Demonstranten die höchste Sympathisanten- Dichte zu verzeichnen ist, stehen dieser imposanten Menschenkette lediglich 4000 Muslime gegenüber, die als Bedrohung von Kultur und Lebensstandard auserkoren wurden. Knapp 0,1 % der Bevölkerung in Sachsen sind Muslime. Angesichts dieser Tatsache ist es befremdlich, dass so viele Menschen Ängste gegenüber einer Religion auf die Straßen projizieren.

Quelle: tagesschau.de

Quelle: tagesschau.de

Die Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes (Abkürzung Pegida) präsentieren sogar ein Positionspapier, welches man eher aus Reihen politischer Parteien kennt.
Punkt 9 daraus lautet:

„PEGIDA ist FÜR eine Null-Toleranz-Politik gegenüber straffällig gewordenen Asylbewerbern und Migranten!“

Diese Position impliziert in umgekehrtem Verständnis, dass man einheimischen Straftätern eine höhere Toleranz entgegen bringt. Außerdem vermittelt diese Aussage den falschen Anschein, dass Asylbewerber und Migranten immer Muslime sein müssen. So gibt es jedenfalls die Bezeichnung der Bewegung wider. In allen 19 Positionen findet sich das Leitmotiv der Namensgebung nur einmal in der Position 10 wieder:

„PEGIDA ist FÜR den Widerstand gegen eine frauenfeindliche, gewaltbetonte politische Ideologie aber nicht gegen hier lebende, sich integrierende Muslime!“

Der Unterschied zwischen Religion und Politik bleibt unberücksichtigt. Das ist insofern korrekt für Staaten mit überwiegend islamischer Bevölkerung. Aber auch im angeblich so demokratischen Deutschland besitzen die großen christlichen Kirchen weitreichenden Einfluss auf die Politik, was letztendlich immer noch sehr real an der Kirchensteuer zu beobachten ist. Auch die Gleichstellung von Mann und Frau ist an vielen Stellen unausgereift. Frauenfeindlichkeit oder Homophobie sind auch hierzulande nicht selbstverständlich. Man könnte das Christentum durchaus selbst als frauenfeindlich beschreiben. Das bestätigt das christliche Pamphlet, genannt „Bibel“, an vielen Stellen. Über gewaltbetonte politische Ideologie sollte man besser schweigen, wenn man als Waffenlieferant in der ersten Reihe steht und sich zunehmend an fragwürdigen militärischen Auslandseinsätzen beteiligt.
Erstaunlich wirkt Position 13:

„ PEGIDA ist FÜR die Erhaltung und den Schutz unserer christlich-jüdisch geprägten Abendlandkultur!“

Es verwundert, dass die Abendlandkultur „jüdisch“ geprägt sein soll. Juden sind eigentlich Migranten aus dem nahen Osten. Genau genommen entspringt unsere Kultur eher heidnischen Völkern. Die Germanen, unsere historischen Vorfahren, waren keine Christen. Auch das Christentum „migrierte“ nach Deutschland. Kultur ist nicht allein Religion.
Es ist ein Ausdruck von Hilflosigkeit und Angst, wenn man die Position 16 betrachtet:

„PEGIDA ist GEGEN das Zulassen von Parallelgesellschaften/Parallelgerichte in unserer Mitte, wie Sharia-Gerichte, Sharia-Polizei, Friedensrichter usw.“

Wie kann man gegen etwas sein, dass ohnehin nicht erlaubt ist? Wann und wo wurde einer Sharia- Polizei eine Zulassung erteilt?
Mit Position 15 widerspricht sich PEGIDA selbst:

„PEGIDA ist GEGEN Waffenlieferungen an verfassungsfeindliche, verbotene Organisationen wie z.B. PKK“

Während man noch mit Position 10 zum Widerstand gegen gewaltbetonte politische Ideologien aufruft, reduziert man die Gegnerliste auf eine undefinierte Gruppe und polarisiert auf ein einziges Beispiel. Waffenlieferungen, genehmigt durch die Bundesregierung, finden allerdings auch Abnehmer, die sich ebenfalls wenig vertrauenswürdig darbieten.
Endlich kommt man mit Position 19 zum finalen Ergebnis, dass eigentlich Muslime so wenig Zielscheibe für die PEGIDA- Propaganda sein sollten wie Asylbewerber und Migranten:

„PEGIDA ist GEGEN Hassprediger, egal welcher Religion zugehörig!“

Das Positionspapier entlarvt sich nach genauerer Analyse als diffuses Potpourri aus Angstgefühlen und Hassexzessen. Die „Mitte der Gesellschaft“ wird sicher nicht von den mitlaufenden Demonstranten repräsentiert, sondern eher als Ventil einer missglückten Politik gesehen. Wenn Menschen den Eindruck gewinnen, sich politisch nicht vertreten zu fühlen und in angeblichen demokratischen Wahlen keinen Sinn mehr erkennen, sucht man nach Ersatzbefriedigung. Immerhin erzeugt man ein Medieninteresse, was ein politisches Handeln augenscheinlich nach sich zieht. Man wird nicht ernst, aber zumindest wahrgenommen, was man vom turnusmäßigen Urnengang eher nicht behaupten kann.
Ein typischer Kommentar auf der Facebook- Seite von PEGIDA fasst den Unmut in wenigen Worten zusammen, der sich in der Demo jeden Montagabend entlädt:

„Immer wird über den PEGIDA-Veranstalter, Herrn Bachmann, gelästert. Der Mann saß im Gefängnis. Anders als unsere Bankster, die für ihre Taten noch das Bundesverdienstkreuz bekommen. Bei so einer Vorverurteilung, würde ich auch nicht zu Jauch kommen. Der Herr Jauch verdient pro Jahr Millionen, schaufelt sich unsere Gebühren quasi mit der Mistgabel rein. Der kann leicht reden- hat er seinen Job an einen Zuwanderer verloren?“

Tatsächlich ist einer der Hauptorganisatoren ein verurteilter Straftäter, der seiner Strafe zunächst durch Flucht zu entgehen versuchte, aber dann schließlich doch sein Strafmaß absitzen musste. Das Rechtssystem wird in Frage gestellt, weil andere, insbesondere Reiche und Mächtige, sich einer adäquaten Strafe deutlich besser entziehen können. Das stößt zu recht auf Unverständnis. Offensichtlich hat man sich aber mit diesem Rechtssystem, welches man als ungerecht empfindet, abgefunden und kanalisiert die eigene Ohnmacht auf Mitmenschen, die noch wehrloser sind, Flüchtlinge und Migranten. Das ist der falsche Weg und es wäre wünschenswert, wenn die Leute, die mit Bewegungen wie PEGIDA oder HOGESA sympathisieren, die wirklichen Gegner in diesem Spiel erkennen würden. Es verliert niemand seinen Job an einen Zuwanderer, sondern entweder ist man nicht in der Lage diesen Job auszuüben oder die Personalpolitik wird von Gier gelenkt, was leider oft in Rationalisierungsmaßnahmen endet. Die Zuwanderer sind nicht dafür verantwortlich. Man sollte mal darüber nachgedenken, wo das Übel in diesem Systen zu verorten ist, bevor man sich über hilfsbedüftige bzw. hilflose Mitmenschen echauffiert.

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Eine Antwort to “Das falsche Etikett: PEGIDA”

  1. Alex John Says:

    http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-50990508.html

    Komisch, plötzlich will keiner mehr eine Islamisierung sehen

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