Der regionale Netzpolitik- Frühschoppen

Am 31.05.2010 fand in der Aula der Uni des Saarlandes eine Podiumsdiskussion zum Thema Netzpolitik statt. An dieser Veranstaltung, die vom AStA der Uni zusammen mit dem SR2 initiert wurde, nahmen MdB Oliver Luksic (FDP), MdL Bernd Wegner (CDU), Jasmin Maurer (Piratenpartei Saarland) und Markus Beckedahl (netzpolitik.org) teil.

Erneut präsentierte sich das Saarland als netzpolitisches Entwicklungsland, wenn man dies an der Zahl der Teilnehmer messen möchte. Die Veranstaltung war erschreckend schlecht besucht, vielleicht war der Termin um 16h00 einfach nur ungünstig?

Mit dem Thema Google Street View eröffnete Moderator Timo Fuchs vom Saarländischen Rundfunk die Diskussion. Hierbei waren sich alle Teilnehmer einig, dass die Datensammelwut von Google bisweilen über moralische Grenzen ausufert. Insbesondere der Umstand, dass Daten von WLAN- Netzen angeblich unbewusst erfasst wurden, erscheint wenig glaubhaft.

Anmerkung meinerseits:

Wer Hard- und Software mit dem Ziel einsetzt, spezielle Daten zu sammeln, weiß sehr wohl, welche Möglichkeiten die verwendete Sniffer- Software bietet. Augenscheinlich wollte man lediglich Standorte von WLAN- Access Points mit ihrem Namen erfassen und kartographieren. Es wurden allerdings auch Datenströme aufgezeichnet, woraus sich beispielsweise auch Emailinhalte oder ähnliches rekonstruieren lassen. Wenn nun Google als führendes Unternehmen für Datensammlungen aller Art behauptet, nicht gewusst zu haben, dass auch solche Daten gesammelt wurden, bezeichne ich dies schlicht als Lüge. Wer ein Auto kauft, ist sich bei der Kaufentscheidung normalerweise bewusst, dass eine Anhängerkupplung zur Sonderausstattung gehört und bemerkt dies nicht erst, wenn plötzlich ein fremder Wohnwagen dran hängt…

Die Überleitung zur Vorratsdatenspeicherung war damit gegeben und die Positionen waren nun auch nicht mehr so einheitlich. Während Bernd Wegner (CDU) behördliche Datensammlungen für die bessere Bekämpfung von Internetkriminalität durchaus für sinnvoll erachtet, konnten sich alle anderen Diskussionspartner mit dieser Vorstellung kaum anfreunden. Herr Wegner, der kurzfristig für seinen Parteikollegen Roland Theis eingesprungen war, wirkte insgesamt auch recht unvorbereitet und konnte seine Argumente nie wirklich glaubhaft vermitteln. Oliver Luksic (FDP) hingegen betonte leider zu oft die Positionen seiner Partei zu netzpolitischen Themen, die ohnehin niemand in Zweifel zog. Jasmin Maurer von den Saarpiraten vermittelte auf ihre frische und direkte Art die Ansichten der Piratenpartei, wenn man ihr auch die Anspannung zeitweilig anmerkte. Sie stellte die Vorratsdatenspeicherung sogar in ihrer eigentlichen Verwendung in Frage, indem sie den Moderator bat, sich beispielhaft als Terrorist zu fühlen, der seine kriminellen Pläne mit gleichgesinnten austauschen wollte. Würde jemand tatsächlich so blöd sein, wenn eine allumfassende Vorratsdatenspeicherung etabliert wäre, diese brisanten Informationen über die gängigen überwachten Datentransportwege zu übermitteln? 

Für Markus Beckedahl ist eine solche Diskussion inzwischen schon Routine…

So stellte er auch klar, dass die Vorratsdatenspeicherung keineswegs für die Bekämpfung von jeglichen Delikten der Internetkriminalität vorgesehen war, sondern ausschließlich der Bekämpfung des Terrorismus und der Schwerstkriminalität galt. Die Scheinargumente eines Jörg Ziercke (BKA- Chef), dass durch die Beschneidung der Vorratsdatenspeicherung  eine erfolgreiche Verbrechensbekämpfung nicht mehr möglich sei, widerlegte Markus Beckedahl mit den eigenen Kriminalitätsberichten der Polizeibehörden.

Anmerkung meinerseits:  Ein Anstieg der Internetkriminalität ist unter den gegebenen Umständen nur logisch. Zum einem gibt es immer mehr Nutzer des Internets und zum anderen sind diese Nutzer inzwischen deutlich mehr sensibilisiert als früher, was auch unweigerlich zu einer Anhebung der Anzeigen wegen Internetkriminalität führt. Mit dem Anstieg der Fahrzeuge im Strassenverkehr stieg unweigerlich auch die Unfallstatistik…

Weiterhin  konnte Markus Beckedahl anhand dieser Statistiken auch nachweisen, dass die Erfolgsquoten der Aufklärung im Internet mit etwa 80% deutlich über der Aufklärungsrate im konventionellen Bereich liegt, völlig ohne Vorratsdatenspeicherung.

Der Bogen zur gerne thematisierten Kinderpornographie und den Von der Leyen’schen Stoppschildern war geschlagen. CDU Mann Wegner versuchte das Publikum für sich zu gewinnen, indem er die Sorgfaltspflicht des Staates über die Meinungsfreiheit stellte, wenn er dies auch nur partiell und vorsichtig versuchte. Dummerweise brachte er in seiner beispielhaften Erläuterung ausgerechnet Indien als Schurkenstaat ins Spiel, was bei Markus Beckedahl ein unübersehbares Grinsen ins Gesicht projizierte. Zugleich nahm dieser diese Steilvorlage mit anschließendem Elfmeter bereitwillig entgegen und erklärte Herrn Wegner noch einmal ausführlich, weshalb man Indien besser nicht in die Kinderpornographiedebatte einbeziehen sollte…

Anmerkung meinerseits: Bereits Ursula von der Leyen erzeugte mit ihrer Behauptung, dass Indien keine Gesetze gegen Kinderpornographie habe und dort betriebene Server für die hiesigen Strafverfolgungsbehörden außer Reichweite seien, erhebliche politische Spannungen. Auf Sperrlisten von Ländern, die Internetsperren betreiben, finden sich keinerlei Hinweise auf indische Kinderpornographieangebote, hingegen aber größtenteils gesperrte Inhalte aus westlichen Industrieländern. 

Jasmin Maurer sowie Markus Beckedahl plädierten gemeinsam für eine bessere internationale Zusammenarbeit sowie eine höherwertige Ausbildung und Ausstattung der Strafverfolgungsbehörden in diesem Zusammenhang. Oliver Luksic konnte hier nur zustimmen, da ja die FDP- Fraktion nach eigener Aussage eine Führungsposition habe. Er verwies wie so oft auf den Koalitionsvertrag, womit auch Bernd Wegner sichtlich zufrieden zu sein schien. Dass Netzsperren in Form von Stoppschildern unsinnig im Kampf gegen Kinderpornographie sind, unterstrichen auch einige Wortmeldungen aus dem Publikum. Ein interessanter Vergleich zur Internetkriminalität aus dem Publikum konnte alle Anwesenden zum Schmunzeln bringen. Der junge Mann betitelte vergleichsweise einen Banküberfall, wo die Täter mit dem Auto zur Bank fuhren und auch die Flucht auf gleiche Weise durchführten, mit der Bezeichnung „Autokriminalität“ analog zur oft aufgeführten Internetkriminalität. In beiden Fällen ist sowohl das Internet als auch das Auto lediglich das Transportmittel, dennoch käme niemand auf die Idee, letzteres zu reglementieren oder gar bekämpfen zu wollen.

Merkwürdigerweise schien zumindest auch wieder in dieser Runde ein Konsens über Netzpolitik und Datenschutz zu herrschen, wenngleich immer wieder gerade von Seiten der CDU/CSU- Bundestagsfraktion eine andere Richtung eingeschlagen wird. In diese Kerbe schlug dann auch noch abschließend Roland Lorenz, ehemaliger Landesdatenschutzbeauftragter des Saarlandes, der sich zufällig im Publikum befand. Er appellierte quasi in einer mitreisenden Rede an die Politik, Datenschutz und Meinungsfreiheit mit ehrlicher Absicht verantwortungsbewußt zu verinnerlichen. Mit dieser Ansprache beendete er sozusagen inoffiziell seine Amtszeit, die an diesem Tag offiziell endete, was ihm von der Saar- Regierung und seinem Dienstherrn verwehrt wurde. 

Ein Original- Audiomitschnitt wird hoffentlich noch folgen, eine Ausstrahlung der Podiumsdiskussion in gekürzter Fassung soll meinem Kenntnisstand zufolge im Hörfunkprogramm des SR am 10. Juni 2010 ausgestrahlt werden. Wenn aktuellere Informationen bekannt sein sollten, möchte ich darum bitten, dies per Kommentar mitzuteilen…

      

Eine Antwort to “Der regionale Netzpolitik- Frühschoppen”

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