…und Norbert verteidigt sich mit seinen Röttgen- Strahlen. So boshaft könnte man die Reaktionen unserer Unions- Politiker auf die sich im Minutentakt überschlagenden Ereignisse in Japan beschreiben. Der Begriff Fukushima vereint seit März 2011 als Synonym die Katastrophen Erdbeben, Tsunami und atomarer Supergau in sich allein. Verblüffend schnell reagierte man politisch auf diese Ereignisse im fernen Japan, wo das legendäre Pappmonster Godzilla in zahlreichen Filmen Großstädte wie Tokio bereits zerstörte. Dass sich die Riesenechse dabei gerne mal einen radioaktiven Cocktail aus den üppig verteilten Atomreaktoren des Inselstaates genehmigte, wirkt heute nun eher tragisch grotesk. Die Bundeskanzlerin zaubert plötzlich in Form eines Moratoriums quasi die einstweilige Verfügung gegen selbst beschlossene Laufzeitverlängerungen von deutschen Kernkraftwerken aus dem Hut, den sie nicht einmal trägt. Dieser juristische Faux Pas wird interessanterweise von der Atomlobby überdeutlich gelassen hingenommen. Die CDU hat viel zu verlieren, insbesondere mehrere Landtagswahlen, die dummerweise aktuell zur Unzeit auf dem Programm stehen. Ausgerechnet in Baden- Würtemberg, wo Ministerpräsident Mappus nicht gerade zurückhaltend mit dem Rückkauf von EnBW- Aktien seine Affinität zur Kernenergie ausdrücklich bewiesen hat, gilt es nun die Wutbürger zu beruhigen. Mit Ergebnisoffenheit will er nun die 3 Monate des Moratoriums begleiten, um dann als amtierender und künftiger Landesvater hoffentlich die Wünsche der Atomlobby zu befriedigen. Glaubwürdigkeit stellt sich anders dar, wenn man die Aussagen seiner Umweltministerin Tanja Gönner zwischen den Zeilen beurteilt:
„Die gründliche Prüfung der Notstromeinrichtungen hat ergeben, dass diese in gegen Erdbeben und Überflutung gut geschützten Gebäuden untergebracht sind. Sie befinden sich in einem guten technischen Zustand und sind funktionsbereit. Bei der Überprüfung sind keine sicherheitstechnischen Defizite zutage getreten“, erklärte das Umweltministerium.
Quelle: Homepage von Umweltministerin (BW) Gönner
Die Menschen in Deutschland können also beruhigt sein, unsere AKW’s sind sicher. Falls ein Tsunami vom Atlantik die holländischen Wohnwagen bis zum Rhein- oder Neckarufer spülen sollte, wird kein Tropfen den Weg zu den Notstromaggregaten finden. Selbst wenn sich zwischen Schwarzwald und Alpen ein Loch bis Australien öffnen würde, Neckarwestheim 1 würde nicht wackeln, das ist sicher. Sowas lässt sich leicht behaupten, wenn man solche Gefahren prinzipiell für die kommenden 750000 Jahre beruhigt ausschließen kann. Doch was nützt die beste Sicherheitsüberprüfung, wenn die Kriterien falsch festgelegt wurden? Hat Frau Gönner die Möglichkeit einer Flugzeugkollision in ihre Betrachtung einbezogen? Menschliches Versagen lässt sich übrigens schlecht durch technische Sicherheitsprüfungen ausschließen. Mein Elektro- Rasierer befand sich übrigens heute morgen ebenfalls noch in einem technisch guten Zustand. Ob das morgen auch noch so leichtfertig zu behaupten wäre, würde ich mich nicht trauen, schließlich ist das Ding ja schon fast 10 Jahre alt. Mit der Klinge des Nassrasierers verletzte ich mir übrigens jedesmal die „Aussenhülle“…
Eigentlich braucht man überhaupt nicht den Vergleich mit japanischen Reaktoren zu thematisieren, die CDU versucht schlicht Schadensbegrenzung ihrer eigenen fehlgeleiteten Atom- Politik zu betreiben. Unser Primärproblem mit der Atomenergie ist der daraus resultierende strahlende Abfall, dessen Entsorgung mehr denn je zum Problem geworden ist. Was nutzt es nachfolgenden Generationen, wenn die Brennstäbe nicht im Betrieb geschmolzen sind, dafür aber Generationen strahlend in der Asse oder in Gorleben überdauern? Übrigens hatte auch Frau Merkel als ehemalige Umweltministerin von Helmut Kohl’s Gnaden ihren bescheidenen Anteil an der deutschen Entsorgungspolitik für Atomabfälle…
Umweltminister Röttgen konnte sich bei der Atompolitik der gelb- schwarzen Regierung nicht durchsetzen, sein sicherheitsrelevanter Absatz im Gesetz zur Laufzeitverlängerung von Kernreaktoren wurde ersatzlos gestrichen. Großen Widerstand seinerseits konnte man jedoch nicht wahrnehmen, hingegen aber Linientreue gegenüber seiner Fraktion. Geschickt inszenierte PR- Kampagnen der Atomindustrie verbreiteten Gerüchte von Versorgungslücken bei der Stromversorgung, wenn man auf Kernenergie verzichten wollte. Ebenso wurde eine trügerische Umweltfreundlichkeit suggeriert. Auch hält sich unter Atombefürwortern hartnäckig die kindisch naive Ansicht, dass man nach einem Atomausstieg den Atomstrom teuer aus den Nachbarstaaten importieren müsste. Dass jedoch nun plötzlich 7 Alt- Reaktoren ohne jegliche Energieengpässe mit Segen der Regierung abgeschaltet werden können, während dies noch eine Woche zuvor undenkbar gewesen wäre, lässt Zweifel an der Glaubwürdigkeit sowohl an der Atomlobby als auch an unserer Regierung zu.
Dass offensichtlich das deutsche Wirtschaftsministerium die Einspeisung von „sauberem“ Strom aus nowegischer Wasserkraft blockiert, verleiht der Sache eine besondere Note. Das Projekt NorGer sieht vor, ca 1400 Megawatt Strom über ein Seekabel von Norwegen ins deutsche Stromnetz einzuspeisen. Damit könnten 60 europäische Atomkraftwerke ersetzt werden. Das entscheidende Hindernis stellt die deutsche Kraftwerksnetzanschlussverordnung dar, in welcher die konstante Einspeisung von Strom über ein Seekabel nicht geregelt ist. Man könnte nun denken, dass diese kleine bürokratische Hürde doch schnell und einfach zu überwinden sei, doch sieht das Wirtschaftsministerium keinen Änderungsbedarf (Filmbericht dazu).
Update: Im Filmbericht wird leider sehr einseitig und teilweise falsch argumentiert. 1400 Megawatt würde ein Seekabel übertragen können, was in etwa der Kapazität eines großen Kernkraftwerkes entsprechen würde. Um 60 KKW ersetzen zu können, müsste man demnach auch 60 solcher Kabel verlegen. Die Kapazität der norwegischen Wasserkraft könnte theoretisch womöglich 60 KKW ersetzen, doch praktisch ist das ausgeschlossen. Der Ansatz ist der richtige, die Argumentation ist allerdings irreführend.
Update wegen Bild.de Artikel:
Das ist schon grandios widerlich, was Ralf Schuler da abläßt.
Zu den Millionen verhinderter Bundestrainer kommt in diesen Tagen die schier unübersehbare Schar der Atomexperten.
Lieber Herr Schuler, mit Ihrem herablassenden Kommentar reihen Sie sich ein in die Reihe der Pseudoexperten. Woher nehmen Sie eigentlich so viel Unverschämtheit?
In einem Land, in dem immer mehr Gymnasiasten die Naturwissenschaften abwählen, hat man den Eindruck, als hätten die meisten selbst am Kühlsystem von Neckarwestheim mitgeschraubt.
Ich gehe mal davon aus, dass Sie als Journalist nicht unbedingt der Techniker sein werden, dies bewerten zu können. Allerdings fühlen Sie sich offensichtlich dazu berufen, pauschal eine Menge Menschen wegen ihrer Meinung und Ideologie zu beleidigen.
Alle reden mit. Und natürlich haben sie alle die Katastrophe kommen sehen: das Super-Beben, den Jahrtausend-Tsunami, die Kernschmelze in Fukushima.
Nun reden längst nicht alle mit, besonders die Atombefürworter halten sich dezent zurück. Doch wenn Sie schon solche Behauptungen aufstellen, wäre es wünschenswert, Sie könnten einige derer namentlich nennen, die die Kettenreaktion an Katastrophen vorherzusehen glaubten.
Anmaßende, selbstgerechte Scheinheiligkeit.
Richtig, anmaßende, selbstgerechte Scheinheiligkeit der widerlichsten Art ist das, was Sie hier von sich geben, Herr Schuler.
Zur Ehrlichkeit gehört aber auch, zu sagen: Das „Restrisiko“ der Atomkraftwerke in Deutschland ist geringer als in Japan.
Mit polemischem Bildzeitungsniveau appellieren gerade Sie, als Journalist des größten Lügenblattes, für Ehrlichkeit? Hat denn irgend jemand je behauptet, dass ein höheres „Restrisiko“ in Deutschland bestehen würde? Wie definieren Sie eigentlich „Restrisiko“?
Und es gibt keine Energie ohne Risiko: Bricht ein Damm, droht Überflutung. Kohle ruiniert das Weltklima. Öl verdreckt die Meere. Und von Wind und Sonne können wir noch immer nicht leben.
Herr Schuler, Sie reden einen unglaublichen Schwachsinn daher. Nicht einmal frühstücken läßt sich ohne Risiko, Sie könnten mit hoher Wahrscheinlichkeit am Frühstücksei ersticken. Risiko gibt es immer und überall, die Frage ist nur, in wieweit läßt es sich begrenzen und kalkulieren? Ein Dammbruch hat verheerende Folgen, Kohle ist sich nicht die sauberste Form der Energieerzeugung, Öl ist auch nicht besser. Nichts davon wird bestritten, darf aber deshalb auch nicht als Alibi für Kernenergie herangezogen werden. Übrigens müsste es richtig heißen: „Ohne Wind (Luft) und Sonne könnten wir nicht leben.“ Kernenergie steht mit Abstand an erster Stelle aller Energiegewinnungsformen, wenn es um die Schädlichkeit und Unbeherrschbarkeit geht. Wenn man auf den gefährlichsten Faktor der Energieerzeugung verzichten kann, was nachweislich möglich wäre, sollte man dies unbedingt als erstrebenswert erachten. Was Sie angeht, Herr Schuler, in Neckarwestheim 1 werden demnächst einige Zimmer frei. Sie sollten unbedingt in diese gemütlichen Räumlichkeiten umziehen…