Ein Scheiterhaufen für die Piratenpartei

Ein ziemlich piratenfeindlicher Artikel auf der Internetpräsenz der Konrad Adenauer Stiftung hat mich veranlasst, selbst einen Artikel zu verfassen. Ursprünglich wollte ich an Ort und Stelle den Artikel kommentieren, doch bietet sich leider keine Möglichkeit dazu. Sozusagen ist es ein offener Brief an den Autor geworden.

Der Redensart „Man soll die Kirche im Dorf lassen“ wird durch diesen Artikel eine neue Bedeutung zugesprochen…

Sehr geehrter Herr *******,

zunächst möchte ich kritisieren, dass Sie für Ihr Postulat gegen die Piratenpartei das Web 2.0 nutzen, aber jegliche Interaktivität in Form einer Kommentarfunktion unterbinden. Ich greife daher Ihren Artikel hier auf, denn eine Kommentarfunktion zur Meinungsäußerung ist implementiert…

Worum geht es? Der Artikel mit dem verheisungsvollen Titel: Wie die Piratenpartei die Religionsfreiheit kapert

Nun schreiben Sie ja Ihren Artikel auf der Internetpräsenz der Konrad Adenauer Stiftung, welche man mit Bestimmtheit nicht als politisch neutral einstufen kann. Doch nun zu Ihrem Pamphlet im Einzelnen:

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass diese Forderungen der Piratenpartei nicht nur a-religiös, sondern sogar anti-religiös motiviert und von einem anti-kirchlichen, wenn nicht sogar anti-christlichen Grundton geprägt sind.

Auch wenn Sie persönlich sich diesem Eindruck nicht erwehren können oder wollen, er ist schlichtweg falsch. Dennoch pauschalisieren Sie Ihren eigenen Eindruck und suggerieren, als sei es Konsens der Allgemeinheit.

Das belegen auch zahlreiche Äußerungen von aktiven Piraten in Internetforen.

Wenn Sie sich genau informieren würden, hätten Sie feststellen können, dass in den von der Piratenpartei zur Verfügung gestellten Foren nicht ausschließlich Mitglieder der Piratenpartei Beiträge verfassen und keineswegs diese Beiträge die offizielle Parteimeinung widergeben. Ihr Beleg ist nicht einmal die 10 Sekunden wert, welche man benötigt, um diesen Satz niederzuschreiben.

Weil es sich bei den christlichen Feiertagen um Feiertage für die Mehrheit der Menschen handelt, hat das Grundgesetz diese Feiertage unter den besonderen Schutz des (weltanschaulich neutralen) Staates gestellt.

Man kann sicher über diese Begründung streiten und hinterfragen, ob dieser Status Quo noch zeitgemäß ist. Dass Sie mit den Klammern als Satzzeichen den weltanschaulichen neutralen Staat in gewisser Weise in Frage stellen, bestätigt ja beinahe die Forderungen der Piratenpartei. Dazu möchte ich Sie fragen, wieso überhaupt religiöse Feiertage nicht in allen Bundesländern flächendeckend gelten? Wieso ist beispielsweise der 6. Januar, der sogenannte Dreikönigstag, ausschließlich in Bayern, Baden- Württemberg und Sachsen- Anhalt ein Feiertag? Gilt das Grundgesetz nicht für das gesamte Deutschland? Warum diese Unterschiede? Wird so etwas anhand von Volkszählungen und Klassifizierungen vorgenommen?

Dies führt zum zweiten Widerspruch in der Stellungnahme der Piratenpartei, denn christlicher Glaube darf im Verständnis der Piratenpartei gerne das „Leben aller“ beeinflussen, wenn es um Vorteile wie einen zusätzlichen arbeitsfreien Tag geht.

Sie drehen mit Ihrer Behauptung einfach die Forderungen der Piratenpartei so um, dass diese aufgrund einer selbst hergeleiteten Logik diesen Widerspruch ergeben muss. Nun ist es aber gar nicht so, dass die Piratenpartei am Dogma des Schmarotzertums festhalten möchte. Schon lange bevor die Piratenpartei überhaupt existierte, profitierten auch Nicht- Christen von diesen Feiertagen. Das erweckt den falschen Anschein, als sei es der Kirche zu verdanken, dass dem arbeitenden Volk ein großzügiges Zugeständnis zu teil würde. Ist es so unwahrscheinlich, dass der Staat in seiner Weltanschaulichkeit und Neutralität entsprechende Feiertage festlegen kann, die nicht einer einzigen Religion zugesprochen werden müssen? Der Staat besitzt die Macht, Feiertage abzuschaffen bzw. demzufolge auch zu schaffen.

In der Logik der Piraten, dass beispielsweise der Karfreitag als christlicher Feiertag Nicht-Christen etwa durch ein Verbot öffentlicher Tanzveranstaltungen nicht einschränken dürfe, wäre es folgerichtig, dass Nicht-Christen auch nicht von der Arbeitsbeschränkung in Form eines arbeitsfreien Tages profitieren.

Da Sie sich ja offenkundig sehr intensiv mit Piratenlogik beschäftigen, sollten Sie sich auch die Mühe machen, diese Logik zu verstehen, ohne daraus eine eigene Logik ableiten zu wollen, die sich von der ursprünglichen Piratenlogik weit entfernt hat. Tatsächlich ist es nämlich so, dass sowohl viele Christen wie auch Nicht- Christen am besagten Karfreitag keinem arbeitsfreien Tag frönen können oder dürfen. Haben Sie womöglich die Bediensteten in der Gastronomie, das Personal in Krankenhäusern oder im öffentlichen Nah- und Fernverkehr vergessen? Man könnte noch unendlich viele arbeitende Menschen aufführen, die am Karfreitag zwar nicht tanzen, aber durchaus recht bewegungsintensiven Tätigkeiten nachgehen (müssen). Andere wiederum, darunter auch Christen, nutzen diesen Feiertag durchaus für weniger besinnliche Tätigkeiten. Mitunter wäre es sicher lustig, allen Katholiken, die an diesem Feiertag, zum Teil auch öffentlich, beispielsweise Fleisch zu sich nehmen, eine Abmahnung des jeweilig zuständigen Kirchenoberhauptes angedeihen zu lassen.

Konsequent wäre im Sinne der Piratenforderung nach der „Privatisierung von Religion“ die Forderung nach genereller Abschaffung christlicher Feiertage als staatlich anerkannte Feiertage. Das aber ist von der Piratenpartei nicht zu hören.

Es gibt bereits im Landesverband Saarland der Piratenpartei einen entsprechenden Antrag. Dieser wurde bislang noch nicht behandelt, da andere Programmpunkte schlicht für wichtiger und dringender betrachtet wurden. Abgesehen davon, sollten die Forderungen dieser innerparteilichen Säkularisations- Politik bei der Piratenpartei zum Thema in Parlamenten werden, würde sich die Diskussion an dieser Problematik automatisch entfachen. Ist es denn sinnvoll eine Wohnung zu tapezieren, wenn überhaupt noch nicht geklärt ist, ob man einziehen darf oder kann?

Schon weil sie die staatlich gewährleisteten Vorteile religiöser Feiertage gerne in Anspruch nehmen, ist die Forderung der Piraten nach „Privatisierung“ der Religion scheinheilig. Auch im Blick auf den Umgang mit kirchlichen Feiertagen gilt: Wer Rechte hat, der hat auch Pflichten.

Scheinheiligkeit ist ein Begriff, den ich im Gegenzug immer wieder gerne bei unseren (so) christlichen Parteien verwende. Scheinheilig kann nur jemand sein, der sich zuvor den Status der Heiligkeit zugesprochen hat. Die Piraten können das sicher nicht sein. Gerne zitiere ich deshalb aus dem Grundsatzprogramm der CDU:

 Kapitel VIII, Absatz 2 ist betitelt mit: Für Freiheit und Frieden eintreten – Deutschlands Rolle in der Welt.

Darin steht ein bemerkenswerter Satz unter einer Menge anderem Gesülze:

Wir wollen die internationalen Beziehungen weiter intensivieren, damit Interessenskonflikte möglichst kooperativ und gewaltfrei gelöst werden.

Quelle:  http://www.grundsatzprogramm.cdu.de/doc/071203-beschluss-grundsatzprogramm-6-navigierbar.pdf

Wie gewaltfrei und kooperativ gerade in Syrien der Konflikt gelöst wird, erfahren wir täglich aus den Medien. Zu Syrien gibt es offensichtlich keine Beziehungen oder vielleicht nur auf Basis von Waffenlieferungen…

Es ist kein Geheimnis, dass die deutsche Regierung, unter maßgeblicher Beteiligung der Christlichen Union Waffentransporte in die gesamte Welt genehmigt und unterstützt. Selbst in Krisengebiete werden aus Deutschland bzw. mit deutscher Beteiligung Waffen geliefert. Wie lässt sich diese Tatsache mit dem Grundsatzprogramm der CDU vereinbaren? Oder ist das alles nur wieder ein großes Missverständnis?

Bevor Sie, Herr ******, die Wertevorstellungen der Piratenpartei kritisieren und öffentlich anprangern, sollten Sie zunächst mal den eigenen Stall ausmisten. Um zum eigentlichen Thema zurück zu kehren – erklären Sie mir bitte einmal, weshalb kirchliche Würdenträger ab dem Amt eines Bischofs vom Staat bezahlt werden? Weshalb ist der Staat für die Erhebung der Kirchensteuer zuständig? Warum genießen andere Religionsgemeinschaften neben der katholischen und evangelischen Kirche nicht die gleichen Vorzüge?

Glücklicherweise ist das düstere Mittelalter vorbei, sonst müssten Mitglieder der Piratenpartei fürchten, als Ketzer auf dem Scheiterhaufen verbrannt zu werden. So versucht man eben verbal und plakativ die tatsächlichen Positionen der Piratenpartei soweit zu verfremden, dass so manch uninformierter Leser wenigstens mit dem Feuerzeug einen Kaperbrief abfackelt. Christlich ist das sicher auch nicht…

Update 19. April 2012 – 21h38

Nachdem sich nun Herr Dr. Eisel von der Konrad Adenauer Stiftung per Kommentar zu Wort meldete, dass ja durchaus Kommentare dort möglich seien, ich diese Möglichkeit offensichtlich jedoch übersehen hätte, habe ich ja meine Schwierigkeiten damit auch dargestellt. Es ist eben nicht wirklich offensichtlich, dass eine Kommentarfunktion existiert, da die aufgeführten Links anders betitelt sind. Außerdem führen die Links zu einer anderen Online- Plattform, offensichtlich zur privaten von Dr. Eisel, wo dann der gleiche Artikel erneut zu finden ist. Dort sind auch Kommentare möglich, stellt aber eine unnötige Umständlichkeit dar. Dennoch habe ich mich bemüht, dort einen Kommentar los zu werden und habe schließlich feststellen müssen, dass Herr Dr. Eisel augenscheinlich Zensur betreibt:

Blog von Dr. Eisel

Mein Kommentar steht seit morgens um 6h55 in der Moderationswarteschlange, während ein Folgekommentar von 15h00 bereits freigeschaltet und gegenkommentiert wurde. Nebenbei bemerkt, arbeitet das Blog von Dr. Eisel in einer falschen Zeitzone, denn diesen Kommentar verfasste ich etwa 2 Stunden später als hier angegeben. Ist man zynisch, könnte man daraus schließen, dass Herr Dr. Eisel unliebsame Kommentare, auf welche er nicht gerne antworten möchte, einfach nicht veröffentlicht. Na ja, glücklicherweise kenne ich mich ja ein wenig im Umgang mit der Informationstechnologie aus und kann in diesem Fall die Lücke schließen.

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7 Antworten to “Ein Scheiterhaufen für die Piratenpartei”

  1. Stephan Eisel Says:

    Sehr geehrter Herr Brück,

    Sie haben ganz offensichtlich den Link „Zum Mitdiskutieren“ rechts neben dem Text übersehen. Er führt zu meinem Blog
    https://internetunddemokratie.wordpress.com/
    auf dem natürlich Kommentare erwünscht sind. Dort antworte ich auch gerne, wobei es ev. leserfreundlicher ist verschiedenen Argumente Ihres langen Textes getrennt zu posten, aber das bleibt natürlich Ihnen überlassen.
    Mit freundlichen Grüssen
    Stephan Eisel

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    • forenwanderer Says:

      Sehr geehrter Herr Dr. Eisel,
      es ist nicht wirklich ersichtlich, dass die Links rechts neben dem Artikel „Wie die Piratenpartei die Religionsfreiheit kapert“ als Kommentarfunktion zum selbigen zu verstehen sind. Die Titel sind andere. Außerdem ist es unüblich, dass man einen Artikel auf einem anderen Blog kommentiert. Ein kleiner Hinweis am Ende des eigentlichen Artikels hätte zumindest den Bezug herstellen können. Es wäre auch schlicht übersichtlicher gewesen, wenn an besagter Stelle die Linkbeschreibung auch den Titel beinhalten würde, wie es schließlich auch bei den anderen Links dort gemacht wurde. Mir wurde das Übersehen dadurch sehr leicht gemacht…

      Mit freundlichen Grüßen,
      TB

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  2. Stephan Eisel Says:

    Offenbar leiden Sie unter Verfolgungswahn, natürlich wurde Ihr Kommentar freigeschaltet

    Piratenpartei und Religionsfreiheit


    Ich schalte nicht nur alle Kommentare frei, sondern beantworten sie auch. Lesen Sie einfach einmal im Blog nach.
    Ach eins noch, aprops Zeitzonen. Da haben Sie mich glatt erwischt. Ich habe von meinem Recht auf Reisefreiheit Gebrauch gemacht und war (in einer anderen Zeitzone) unterwegs.
    THE NET NEVER FORGETS – lesen Sie dazu mein Buch „Internet und Demokratie“…

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    • forenwanderer Says:

      Was hat die Freischaltung eines Kommentars mit Verfolgungswahn zu tun? Es ist wie es ist. Erst nach meiner Kritik hier, haben Sie den Kommentar freigeschaltet. Der Screenshot beweist sehr deutlich, dass Sie einen späteren Kommentar freigeschaltet hatten und meinen eben in der Moderationswarteschlange verweilen ließen. Das ist schon etwas befremdlich.

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      • Stephan Eisel Says:

        Sie brauchen nur die zahlreichen Kommentare in diesem Blog zu lesen, um zu sehen, wie abwegig Ihr Zensurverdacht ist.
        Dass zwischen der Freischaltung der Kommentare manchmal etwas Zeit vergeht, hat schlichtweg damit zu tun, dass ich nicht ständig online bin und manche Antworten kürzer und andere länger sind.
        In Ihrem Fall wollte ich die Frage der Bischofsbezahlung noch mal überprüfen.

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      • forenwanderer Says:

        Man kann durchaus auch Kommentare freischalten, bevor man eine Antwort darauf geben kann. Man kann es auch automatisieren und Kommentare, die die Regeln verletzen, hinterher editeren. Aber schön, dass mein Zensurvorwurf entkräftet wurde…

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  3. mklein Says:

    Den Zeitzonen-Bug hab ich auch bemerkt, obiger Post wurde ca. 17:00 Uhr abgesandt und mit dem Datum 15 Uhr versehen. Suspekt erscheint mir jedoch, Kommentare wiederum nur zu moderieren/freischalten wenn bereits ein Statement des Seiteninhabers abgegeben wurde. Offener Diskurs sieht anders aus, Kritik diesbezueglich sehe ich als gerechtfertigt und nicht von einem „Wahn“ getrieben.

    Aber mit Politwissenschaftlern zu diskutieren scheint meist realitaetsfern a la „Wasser predigen und Wein trinken“. Oder ist noch jemand der Meinung dass uebernommene Gesetze noch aus der Weimarer Zeit den Tatsachen heute vollends gerecht wuerden (auch wenn das Bundesverfassungsgericht noch immer drauf pocht)? Religionsfreiheit bitte fuer alle, nicht nur explizit fuer katholische Christen..

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